Montag, 1. Februar 2016

Farben im Film

Farben im Film
von Daniela Maisenbacher

                                                                                         Findet Nemo (2003)

1 Vorwort


Seit Anbeginn der Menschheit ist es unserem Sein eigen die emotionale Qualität von Farben wahrzunehmen. Vom Steinzeitmenschen der mit Erdfarben versuchte das Gesehene wiederzugeben, über Literaten, die mit Sprache eine bildhafte, bunte Welt fantasieren lassen, bis hin zu bewegten Bildern der Neuzeit.

Mit dem Beginn der Fotografie im 19. Jahrhundert entstand eine bis dato völlig neue Art und Weise die Umwelt aufzunehmen.
Weniger als hundert Jahre später hat sich das bewegte Bild, in Form von Stummfilmen, als neues Medium etabliert. Da zunächst nur Schwarzweiß Aufnahmen möglich waren mussten sich die neu ernannten Filmkünstler auf andere Mittel berufen. Es entstanden verschiedene Techniken wie die Koloration und die Viragierung von Filmstreifen, Verfahren welche zunächst sehr aufwendig waren.

In den fortgeschrittenen Anfängen des 20. Jahrhunderts, stieg das  Produktionsniveau innerhalb kürzester Zeit rapide an. Mit einer verbesserten Bildqualität, hochwertigeren Tonaufnahmen und dem immer größer werdenden Verständnis von visuellen Erzählweisen nahm auch das Gefühl für Farbigkeit zu. Der moderne Farbfilm existierte noch nicht, weshalb man sich einer anderen Technik bediente - dem Licht am Set. Mit verschieden hell beleuchteten Charakteren/Umgebungen wurden die Kontraste von Schwarz und Weiß ausgenutzt. Es entstanden vermehrt Symboliken wie z.B. der „böse Mann im schwarzen Anzug“ oder die „gute Frau im weißen Kleid“ wobei hier nicht nur die Beleuchtung eine Rolle spielte, sondern vorallem die Farben der Kleidung.

Ab den 1960er Jahren machten Farbfilme den Großteil der produzierten Filme aus und erweiterten das Kino um weitreichende Farbspektren.
Das Verständnis von Farbe wurde freier und es verschwamm regelrecht. Es gab nicht mehr nur “Schwarzweiß“, etablierte Symboliken fanden durchaus noch Verwendung, mussten jedoch keiner Festigkeit oder Vorschriften nachgehen, um dem Zuschauer ein klares Bild der Intentionen von Situationen oder Personen zu schaffen. 


Mit der vermehrten Anwendung von computergenerierten Darstellungen Ende des 20.Jahrhunderts bekam der Film eine neue Gewichtung. Vorallem das „Popcorn-Kino“ verzichtet immer mehr auf die zeitaufwendige Perfektionierung von Farbe/Licht am Set und beruft sich auf die kostengünstige Farbkorrektur in der Post Produktion.
Mit dem erstaunlichen Fortschritt moderner Computerprogramme ist dies durchaus nachvollziehbar, jedoch ist ebenfalls eine Abnahme von visuell einzigartigen Filmen zu erkennen.

Als außergewöhnlicher Trend fällt vermehrt auf dass sich Filmschaffende der Neuzeit oft auf alte Farbtechniken wie z.B. die Schwarzweiß Aufnahme berufen und sie durch moderne Elemente, wie das symbolische Einbringen einer Farbe, ergänzen. Gerade weil der Großteil der heutigen Filme in ihrer Farbigkeit kaum Einzigartikeiten aufweisen fallen diese modernen Schwarz-Weiß Filme auf und bleiben dem Publikum im Gedächtnis.

Wie Erzählstrukturen, Kameraeinstellungen oder Verwendung von Musik haben mitlerweile auch Farbschemata eine festgelegte Bedeutung nach welcher man sich richten kann aber nicht muss.


2 Farbentwicklung im Film

Wie auch zuvor bei der Fotografie entwickelten sich nach und nach Verfahren um die Schwarzweiß Aufnahmen einzufärben.

2.1 Koloration

Eine Technik um Farbe auf die farblosen Bilder zu bringen war die Koloration per Hand. Dabei musste jedes Bild einzeln bemalt werden - teilweise wurde hier auch schon mit Schablonen gearbeitet.

The Serpentine Dance (1899)



2.2 Viragierung

Das Verfahren der Viragierung (dt. „Tonung“) war einfacher und billiger als das der Koloration, hierbei wurden einzelne Szenen vom entwickeltem Filmmaterial eingefärbt. So wurde versucht dem Zuschauer ein Verständnis der räumlichen Lage (sepia= innen; blau=außen...) oder der Situation (rot=Liebe, Verruchtes, Gewalt) zu vermitteln.

Nosferatu (1922)





2.3 Technicolor


Den Vorreiter des Farbfilmes, wie wir ihn heute kennen, stellt das Technicolor-Verfahren da. Durch Farbfilter wurden hierbei Grün (als Mischung der Grundfarben Blau und Gelb) und Rot zugleich auf Schwarzweißfilm aufgenommen.


The Gulf Between (1917)
















Das Verfahren enwickelte sich stetig weiter, bis 1935 der erste Film produziert wurde der alle drei Grundfarben nutzte.




Becky Sharp (1935)















3 Dramaturgischer Einsatz von Farbe

Der dramaturgische Einsatz von Farbe beginnt in den meisten Fällen bei der Grundeinfärbung des Filmmaterials. Die Wechselwirkung zwischen Farbkonventionen bestimmter Genre und der Erwartung des Zuschauers an solche, kann der Filmemacher nutzen um die unbewusste Wahrnehmung seiner Produktion zu steuern.
Ein Beispiel hierfür wären Horror/Thriller(...) Filme, bei denen werden zumeist Blautöne verwendet, welche die Eigenschaften „kalt“ und/oder „isoliert“ hervorrufen. Gegensätzlich dazu werden Romanzen/Dramen(...) oft mit „warmen“ Farben versehen wie Orange-, Rot- oder Gelbtöne.

Alien (1997)

Eyes Wide Shut (1999)
3.1 „Schwarzweiß der Moderne“

Lenken aufwendige Farbbilder von einer komplizierten Handlung wie zwischenmenschlichen Themen ab, setzt der Filmemacher oftmals die Technik der Schwarzweiß Aufnahme ein.

3.1.2 Symbolik von Farbe in Schwarzweiß Filmen

Eine weiterer Grund warum Regisseure sich für Schwarzweiß Aufnahmen entscheiden, ist die Farbsymbolik. Hierbei wird durch das Hinzufügen einer einzigen Farbe der Gegenstand oder eine Person besonders hervorgehoben.

Ein Beispiel hierfür ist das Mädchen im Film „Schindlers Liste“. Sie bildet in ihren Szenen nicht nur den Mittelpunkt des Bildes sondern fällt auch durch die Farbe ihres Mantels auf. Die Blicke der Zuschauer werden hier aktiv gelenkt.
Das Mädchen spielt keine Hauptrolle im Film nimmt aber auf den Protagonisten Schindler großen Einfluss. Er sieht sie zu Beginn flüchten und wie Schindler selbst bleibt auch dem Zuschauer das Mädchen allein schon durch das im Vergleich zum trüben Grau, kräftige Rot im Kopf. Ein Wiedersehen gibt es kurz vor Ende, bei welchem wir das Mädchen tot auf einem Wagen wiedererkennen. Der zuvor so markante Mantel hat leicht an Farbe verloren, lässt den Zuschauer jedoch das Mädchen sofort erkennen.
Während dieser Szenen gibt es keinen Dialog - die Bilder sprechen für sich.
Die Symbolik die beim hinzufügen einer Farbe geschaffen wird, soll im Grunde bestimmte Gefühle beim Zuschauer erzeugen bzw. verstärken.

Schindlers Liste (1994)


3.2 Kostüm

Eine weitere große Rolle, in der Farbwelt von FIlmen. spielen die Kostüme. Das älteste und am häufigsten verwendete Schemata ist das von Hell gegen Dunkel - Gut gegen Böse. Vorallem in Schwarzweiß Filmen, bei welchen es logischerweise schwierig war mit Farben zu arbeiten, machte man daraus großen Gebrauch.

Im Film „Der dritte Mann“ wird das Katz und Maus Spiel - das Gute gegen das Böse - noch einmal durch die Wahl der Kostüme untermalt.
Es kommt in dem Film zum Aufeinandertreffen zwischen dem rechtschaffenden Autoren Holly und seinem, mitlerweile kriminellen Jugendfreund, Harry.
In der Farbwahl der Kostüme erkennt man hier bereits wer auf welcher Seite der Gerechtigkeit steht - Holly in seinem hellen Anzug steht für die Gute, Harry in seinem schwarzen Anzug für die Böse Seite.

Der dritte Mann (1949)


Vorallem in Kinderfilmen fällt auf dass die Charaktere nicht nur in ihrer Art, sondern vorallem auch die Farbe ihrer Kleidung simpel gehalten werden.
Immer wiederkehrend ist dabei das Schemata vom „bösen Schwarz“ und dem „guten Weiß“.

Baymax (2015)   /  Mulan (1998)   /   Hercules (1997)

                 
Mit dem Übergang von Schwarzweiß auf Farbe hat sich auch das Verständnis von Kostümen verändert. Durch verschiedene Farben hat man nun die Möglichkeit die „Tiefen der Charaktere“ mit ihrer Kleidung darzustellen. Es gibt nicht mehr nur die „Gut-und-Böse Assoziationen“; der Zuschauer hat eine weitreichende Palette mit der er durch sein Farbverständnis Eigenschaften auf die dargestellte Person projizieren kann.
Der Charakter und das Erscheinungsbild einer Person stehen zumeist im Einklang miteinander. Je komplexer die Charaktere, desto eher kann es sein dass das Innere nicht mit dem Äußeren zusammen passen muss.



4 Fazit

Als „Kleinkind“ der Filmgeschichte wird sich seit den letzten Jahrzehnten vermehrt auf die teils noch unausgereiften computeranimierten und dreidimensionalen Bilder gekümmert. Die komplexen Effekte erfordern viel Zeit und Aufwand, daher ist es für viele Produktionen leichter und unkomplizierter bei der Farbwahl auf die „sicheren Farbpaletten“ zurückzugreifen.
Dem „Kino der Massen“ fehlt oft die Farbindividualität, besonders größere Blockbuster berufen sich immer wieder auf den vom Zuschauer beliebten Hollywood-Look, welcher ein Zusammenspiel der Komplementärfarben Blau und Orange ist. Die Kombination lässt den zumeist orangenen Hautton der Schauspieler durch die blauen Hintergründe herausstechen.
Das Resultat lässt die Bilder interessanter und aufregender wirken.
Durch die nahezu von allen größeren Produktionen genutzte Kombination verliert das Bild jedoch an Einzigartigkeit.
Leider berufen sich auch Filme die durch ihre Handlung von anderen Farbschemata profitieren könnten, oft auf diesen „Pop-Effekt“, damit eine positive Rückmeldung des Publikums garantiert ist.
Genau wie Erzählweisen oder Kameraeinstellungen gibt es bestimmte Farbschemata die immer wieder genutzt werden, wobei über Zeit klar wird welche funktionieren und welche nicht.
Meiner Meinung nach ist die Idee und Umsetzung heutiger „Standard Farbschemata“ sehr im Einklang mit der Wahrnehmung der Zuschauer. Kritisch sehe ich jedoch die Zukunft für den Orange-Blau Effekt, da er allein der objektiven Erscheinung des Filmes dient und nicht auf die subjektive Wahrnehmung eingeht. Obwohl ich den Look sehr schön finde erhoffe ich mir in Zukunft ein Comeback von durchdachten Farbschemata die die Handlung untermalen.



















5 Quellen

farbenundleben.de/film/Farbe_im_Film_Geschichte.htm
brianpritchard.com/Tinting.htm
de.wikipedia.org/wiki/Farbfilm

moviesincolor.com/
digitalnippon.de/lifestyle/movies/schindlers-liste_t15343/drucken/
criterion.com/films/236-the-third-man
boxofficequant.com/


1 Kommentar:

  1. Was für eine tolle Zusammenfassung, sehr durchdacht geschrieben und gut ausgedrückt, vielen Dank!

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