Freitag, 10. Februar 2017

Innere Montage

von Celine Altkorn 
08.02.2017

Blogbeitrag zum Thema "Innere Montage"

Wie man fälschlicherweise annehmen könnte, handelt es sich bei dem Begriff “Innere Montage” nicht um eine spezielle Methode des Filmschnitts, sondern vielmehr um die “Mise-en-scène”, also den Prozess der räumlich, gestalterischen Aufmachung eines Szenenbilds.

Mit Hilfe von entsprechend platzierten Objekten im Handlungsraum wird eine Unterteilung in meist drei Ebenen (Vorder-, Mittel- und Hintergrund) geschaffen. Diese ermöglichen ein überschaubares Agieren und Kommunizieren der Schauspieler in einer einzigen Einstellungsgröße (einer Plansequenz) durch das Scharfstellen mehrerer Ebenen gleichermaßen (die sogenannte “Deep Focus Cinematography”) oder der Verlagerung der Schärfeebenen auf einen Einzelbereich.

Doch innere Montage ist mehr als bloß ein Mittel Personen zueinander in Interaktion zu setzen. 
Es ist auch das Zusammenspiel einer Figur in und mit seiner Umwelt. 

Der Filmklassiker von Regisseur Orson Welles “Citizen Kane” (1941) ist bekannt für die Scharfstellung mehrerer Ebenen gleichzeitig. Anhand des folgenden Filmausschnitts wird die Technik der “Deep Focus Cinematography” für den Rezipienten erkenntlich:


Anfang bis 01:42 Min.



Die Szene beginnt außerhalb des Hauses mit einem im Schnee spielenden Jungen. Durch ein Fenster hindurch zieht sich die Kamera in den Innenraum des Hauses zurück, in dem eine junge Frau, Mrs. Kane, hervor tritt, die ihrem Charles zuruft, er solle vorsichtig sein. Die Kamera zieht sich noch weiter zurück, bis erkenntlich wird, dass sie sich mit zwei weiteren Männern im Haus befindet. Sie dreht sich der fahrenden Kamera zu und verfolgt sie bis zu einem weiteren Raum, in dem sie sich an einen Tisch setzt. Die zwei Männer folgen ihr, wobei sich einer direkt neben sie auf einen Stuhl setzt, während der andere in Höhe der “Türschwelle” verharrt.  
Interessant ist an dieser Stelle, dass der spielende Junge immer noch durch das Fenster auf der anderen Hausseite gesehen wird. 

Das Szenenbild wird also in die drei unterschiedlichen Ebenen, nämlich Vorder-, Mittel- und Hintergrund, unterteilt. Alle drei Bereiche bleiben scharf, wodurch Parallelhandlungen in einem Bild ermöglicht werden. Es bleibt eine gewisse Verbindung zu jedem der Schauspieler bestehen. Die Augen des Rezipienten verfolgen nicht nur die Konversation der Personen im Haus, sondern auch den spielenden Jungen außerhalb. Zwar verliert der Junge durch die Entfernung stückweit an Aufmerksamkeit, doch er bleibt sowohl auf visueller, als auch auf akustischer Ebene präsent. 

Umgesetzt wird der “Deep Focus” mit Hilfe eines Weitwinkelobjektivs und einer geringen Blendenöffnung. 

Ein Cutter macht es sich zur Aufgabe aufgenommene Sequenzen und Bilder in einer bestimmten zeitlichen und räumlichen Abfolge zu montieren. Durch verschiedene Schnitttechniken obliegen ihm viele Wege die Handlung eines Films zu manipulieren und ihn zu dem zu machen, was er am Ende tatsächlich ist. 

So ist es auch bei der inneren Montage,  bloß handelt sie sich nicht erst im Schnittprogramm ab…
Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin vor Ort zu “montieren”. 
Alle Figuren, Handlungen und Geschehnisse werden zeitlich und räumlich  so aufeinander abgestimmt, dass es dem Kameramann ermöglicht wird die Szene in einem Stück, also quasi in einer Plansequenz, aufzunehmen.
Eine Plansequenz kann nicht erst in der Postproduktion erschaffen werden, sie muss an Ort und Stelle passieren. 

Diesbezüglich zähle ich im nachfolgenden Paragraphen kurz die unterschiedlichen Techniken auf, die Filmemacher beim Dreh gerne aufgreifen. 

Ein kurzer Blick in die Vergangenheit zeigt, dass sich frühere Regisseure bei der Erstellung einer aufwendigeren Mise-en-scène meist der Rückprojektionstechnik bedienten.

Die folgende Abbildung verdeutlicht die richtige Positionierung von Kamera, Schauspieler und Projektionsfläche bei der Rückpro:



Heute hingegen ist man in der Technik viel weiter fortgeschritten. 
Die Greenscreentechnik, (um nachträglich bestimmte Hintergründe einzufügen),
Auf-/Rückprojektionen, 
Glastechniken, 
Animationen 
oder das Matte Painting, (beispielsweise zur Darstellung von Menschenmassen) haben sich in der Filmbranche etabliert und sind zu beliebten Methoden geworden, um komplexe Szenerien und sogar ganze Welten zu erschaffen. 

Ein moderneres Beispiel für eine aufwendige innere Montage ist die Autoszene des Science-Fiction-Dramas “Children of Men" (2016) von Alfonso Cuarón.
Ganze 4 Minuten lang folgen wir hier einer Sequenz ohne jegliche Schnittsetzung:

CAR SCENE of CHILDREN OF MEN:



Eine im Auto installierte Kamera ermöglicht die Aufnahme von Nahaufnahmen einzelner Personen oder auch Halbtotalen, in der mehrere Personen in Interaktion zu einander zu sehen sind. Durch die Drehfähigkeit der Kamera um die eigene Achse kann so gut wie jede Perspektive im und aus dem Fahrzeug heraus aufgezeichnet werden.
Die montierte Kamera gibt dem Zuschauer das Gefühl selbst im Wagen zu sitzen. 
Die Kameraeinstellung aus der Windschutzscheibe heraus, als die Insassen angegriffen werden, wirkt derartig bedrängend und angsteinflößend, dass man der Situation schnellstmöglich entkommen will. Die ausgebrochene Panik im Auto wirkt vollkommen nachvollziehbar, denn man fühlt sich, genau wie die Schauspieler, den Angreifern ausgeliefert. 

Um solch eine immense Plansequenz zu realisieren, die den Zuschauer auf diese intensive Art und Weise in die Story einbindet, ist einiges an Organisation und Vorarbeit zu leisten. 
Mit welchen aufwändigen Mitteln diese Szene realisiert wurde zeigt ein YT-Video, dass ich im folgenden Absatz verlinke:

BEHIND THE SCENE of CHILDREN OF MEN:






Quellen:
Literatur: “Film verstehen” - James Monaco
http://www.ftrephan-autor.com/ftrephanAutor/Film1/Film1a/index.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Innere_Montage
https://www.youtube.com/watch?v=QfBSncUspBk

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