Modelle und Miniaturen
Visuelle Effekte sind Werkzeuge, die uns darstellen lassen, was anderweitig nicht filmbar wäre. Eines der mächtigsten dieser Werkzeuge war lange Zeit der Miniatureffekt. Durch ihn können wir epische Raumschlachten, gigantische Monster oder Wunder einer längst vergangenen oder nie dagewesenen Zeit auf Film bannen.
Miniaturen werden üblicherweise mit Science-Fiction-, Fantasy- und Historienfilmen assoziiert, sie werden aber auch in anderen Genres zum Ergänzen oder Abändern von bestehenden Kulissen benutzt.
Geschichte
Seit den Anfängen der visuellen Effekte in den Filmtricks von Georges Meliès haben die Miniatureffekte im Laufe des 20. Jahrhunderts große Entwicklungen durchgemacht.
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Im Pre-Code-Hollywood der zwanziger und dreißiger Jahre lockten Horror- und Abenteuerfilme große Besucherzahlen an. Filme wie The Lost World (1925) und der effektlastige King Kong (1933) brachten Stop-Motion-animierte Kreaturen auf die große Leinwand.
Die deutschen Expressionisten der zwanziger Jahre machten in ihren Filmen kreativen Gebrauch von Effekten, um ihre einzigartigen Visionen zu verwirklichen. Die bekannteste davon ist wohl die von Fritz Langs Metropolis (1927), das mit Modellen und Glasmalereien die grandiose Zukunftsstadt zum Leben erweckt. Eugen Schüfftan entwickelte für Metropolis den Schüfftan-Prozess, mit dem sich detaillierte Modelle fast nahtlos mit gebauten Kulissen in nur einer Aufnahme verschmelzen ließen.
Orson Welles verwendete in Citizen Kane (1941) neben vielen anderen Spezialeffekttechniken auch Miniaturen, um seine ausgefallenen Kompositionen umzusetzen. Optical Effects Artist Linwood G. Dunn benutzte den von ihm weiterentwickelten Optischen Printer, um komplexe Matte Shots zu verwirklichen. Citizen Kane enthält viele Kamerafahrten, in denen Modell- und Live Action-Aufnahmen mit Travelling-Matte-Verfahren kombiniert wurden.
Der Optische Printer und der Farbfilm öffneten die Tür für modernere Matting-Verfahren und somit fortgeschrittenere Miniatur-Shots, wie etwa die, die Stop-Motion-Legende Ray Harryhausen in den fünfziger und sechziger Jahren schuf.
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2001: A Space Odyssey (1968) setzte neue Standards für detaillierte Raumschiffminiaturen. Stanley Kubricks Perfektionismus und Zusammenarbeit mit Luft- und Raumfahrttechnikern resultierte in einem hohen Realismusgrad in den von Kubricks Special Effects Supervisor Douglas Trumbull geschaffenen Miniaturen.
Die Star Wars Trilogie (1977, 1980, 1983) ist ein Meilenstein in Sachen Miniatureffekt. George Lucas gründete 1975 die Visual Effects Firma Industrial Light & Magic, die bis heute im Bereich Visual Effects führend ist. Das von John Dykstra geführte Special Effects Team, das Modellbaulegenden wie Steve Gawley, Lorne Peterson und Paul Huston enthielt, erschuf dynamische Actionszenen mit extrem detaillierten Raumschiffmodellen, mit denen sich Star Wars von den Science-Fiction-Filmen der Zeit abhob. Möglich wurde dies unter anderem durch das erste computergesteuerte Motion Control Kamera Rig, Bluescreen-Matting und von 2001 inspirierte Modellbaumethoden.
Die siebziger und achtziger Jahre können mit der Star Wars Trilogie und Filmen wie Dune, Blade Runner und Alien als Höhepunkt des Miniatureffekts angesehen werden.
Seit den Neunzigern wurden Miniatureffekte in vielen Rollen durch CGI-Effekte abgelöst. Dennoch sind Miniaturen immer noch nicht komplett verschwunden. Regisseure wie Peter Jackson und Christopher Nolan bevorzugen Modelle wegen ihres höheren Realismusgrads im Bezug auf Witterung und Lichteinfall und aus Respekt für das Handwerk. Modelle werden heute oft in Verbund mit CGI eingesetzt um Renderzeit zu sparen.
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Ein Feld, in dem Modelle noch Vorteile gegenüber computergenerierten Effekten haben, ist die Darstellung physikalischer Prozesse - Interaktionen mit Feuer und Wasser oder Zerstörung durch Explosionen. Mit Modellen können hier überzeugende Ergebnisse oft schneller und billiger erzeugt werden als mit gängiger Software.
Compositing
Miniatureffekte wirken aufgrund der Zweidimensionalität des Filmbilds. Werden flache Gemälde oder Miniaturnachbildungen von Objekten oder Landschaften richtig angefertigt und gefilmt, kann die Illusion von Tiefe erzeugt werden. Wenn Aufnahmen von Modellen und Schauspielern richtig kombiniert werden, können ihre Grenzen verschwimmen. Dies nennt sich Forced Perspective (erzwungene Perspektive).
Eine der simpelsten Methoden Miniaturen in einen Shot einzufügen, ist die Vordergrundminiatur. Eine Miniatur wird nah vor der Kameralinse platziert, so dass ihre Größe im Frame mit den anderen Elementen übereinstimmt. Dieses Verfahren wird üblicherweise für statische Szenerie verwendet und ähnelt dem klassischen In Camera Matte Painting. In Außenszenen mit natürlichem Licht haben Vordergrundminiaturen gegenüber Matte Paintings den Vorteil, dass sie von denselben Lichtquellen wie das Set und die Schauspieler beleuchtet werden. Matte Paintings sind mit einer festen Lichtquelle gemalt, was die Tageszeit, in der es möglich ist, den Shot zu drehen, beschränkt.
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Eine andere vom Matte Painting abgeleitete Methode ist der bereits erwähnte Schüfftan-Prozess. 1927 von Eugen Schüfftan für Fritz Langs Metropolis entwickelt, wird hier eine angewinkelte Glasplatte vor der Kamera platziert. Sie ist an den Stellen, wo die Hintergrundszenerie eingesetzt werden soll, verspiegelt und sonst transparent. Die spiegelnden Teile reflektieren die Miniatur, die Abseits der Kamera steht, während die weiter entfernten Schauspieler durch die transparenten Teile zu sehen sind. Dies ermöglicht die Verwendung größerer und detailreicherer Miniaturen, die durch den Spiegel verkleinert werden. Der Schüfftan Prozess wurde später von Alfred Hitchcock in seinen Filmen Blackmail (1929) and The 39 Steps (1935) verwendet.
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Obwohl Vordergrundminiaturen aufgrund ihrer Einfachheit auch noch heute verwendet werden, werden die meisten Miniatur-Shots in Postproduktion composited. Dies verleiht mehr Freiheit und ermöglicht etwa Kamerafahrten oder den Einsatz von Stop Motion Miniaturen. Kamerafahrten über Modelle werden oft mit höheren Bildraten aufgenommen und langsamer abgespielt, um einen besseren Eindruck von Größe zu geben.
Konstruktion
Große Modelle haben oft ein Innengerüst aus Holz oder Metall. Die Materialien reichen von Pappe, Gips und Epoxymasse bis hin zu Plastikkarton, glasfaserverstärktem Kunststoff und hauchdünnen, fotogeätzten Messingblättchen. Für oft wiederkehrende Teile wird Vacuum-Forming oder Kunstharzguss verwendet.
Modellbauer bedienen sich einer Reihe von Tricks, um ihre Modelle glaubwürdig wirken zu lassen. Einer dieser Tricks ist Kitbashing — das Zweckentfremden von Modellbausatz-Einzelteilen, um schnell große Mengen realistischer mechanischer Details herzustellen. Kitbashing beschränkt sich nicht auf Modellbausätze, auch herkömmlichere Materialien wie Suppenlöffel, Gitarrensaiten oder Lampenreflektoren kommen zum Einsatz.
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Um die enorme Größe von Science-Fiction-Maschinen zu verdeutlichen, werden sogenannte “greebles” verwendet. Greebles sind Ansammlungen von kleinen Details, die die Oberfläche eines Modells komplexer erscheinen lassen. Diese bestehen oft aus simplen geometrischen Formen, die aus Resten von Plastikkarton oder geätztem Messing geschnitten werden. Auch hier kommt oft Kitbashing zum Einsatz.
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Beleuchtung ist wichtig für glaubwürdige Fahrzeuge und Dioramen. Dafür verwendete man kleine Glühbirnen und später auch LEDs. Sehr kleine Lichtpunkte lassen sich durch von innen beleuchtete Glasfaserbündel erzeugen.
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Als Faustregel gilt, je größer die Miniatur, desto realistischer kann sie sein. Größere Miniaturen haben mehr Raum für Details und lassen sich besser ausleuchten. Wenn Subjekte in mehreren Shots auftreten sollen, werden oft Ausführungen in verschiedenen Maßstäben angefertigt. Welche Version verwendet wird, hängt ab von Einstellungsgröße, geforderten Aktionen und Größenverhältnis zu anderen Modellen im Shot.
Animation
Die Darstellung von Bewegung ist wichtig für die Glaubwürdigkeit von Miniaturkreaturen oder -maschinen. Bei simpleren Aktionen reichen Seilzugmechanismen oder Animatronik aus, sind komplexere Handlungen gefragt, wird üblicherweise zur Stop Motion gegriffen. Stop Motion wurde in einem Spielfilm erstmals 1925 im Stummfilm The Lost World eingesetzt und ist seitdem wichtiger Bestandteil des Miniatureffekts.
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Eine einfachere Art Miniaturen zum Leben zu erwecken, ist der Creature Suit. Schauspieler in Monsterkostümen bewegen sich durch Miniatursets, um den Anschein einer Stockwerke hohen Kreatur zu vermitteln. Die auch als “Suitmation” bekannte Praxis war ein beliebtes Mittel der Low Budget Mosterfilme des japanischen tokusatsu-Kinos. Diese Art von Effekt wirkt für heutige Verhältnisse schwerfällig und unbeholfen, hat aber in gewissen Kreisen Kultstatus.
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Auch Tiere wurden wurden als Monsterdarsteller eingesetzt. Sogenannte “Slurpasaurs”, optisch vergrößerte Reptilien, die oft Dinosaurier darstellen sollten, sind häufig anzutreffen in Abenteuerfilmen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie etwa D.W. Griffith’s Brute Force (1914) oder dem 1960er Remake von The Lost World, das neben mehreren Reptilien auch Schweine, Gürteltiere und einen Elefanten als Dinosaurier benutzte.
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